Der Charme der Rucksäcke: Ausstellung in der Nordheimer Scheune
Manuel van der Veen aus Berlin stellt in der Scheune "Tragbare Träger" aus und spielt mit Zwischenräumen und unserer Wahrnehmung, was ist Kunst, was ist Alltagsgegenstand.
10. Mai 2021, 16:38 Uhr  |  Update: 04. Februar 2022, 15:07 Uhr  
Reliefmalerei nennt Manuel van der Veen seine Flatbags: Rucksäcken nachempfundene Objekte aus gepresstem Weißblech, die er malerisch bearbeitet. Bis 19. Juni sind seine Arbeiten in der Nordheimer Scheune ausgestellt. Foto: Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas
Prall gefüllt mit Verpackungsmaterial, stehen die Ausstellungsstücke in der ersten Reihe der Outdoorstores. Lässt man sich einen Rucksack aus dem Lager bringen, ist der verblüffend flach gepresst. Nichts als wetterfeste Faser. Eine Alltagsbeobachtung, die Manuel van der Veen zu der Werkserie Flatbags inspiriert hat: mittels Vakuumdruck geformtes - oder deformiertes - Weißblech, dessen Oberfläche van der Veen malerisch bearbeitet.
"Ich übernehme gerne Gegenstände und transformiere sie", sagt der Künstler, der in der Nordheimer Scheune ausstellt. Seit Anfang des Jahres lebt Manuel van der Veen in Berlin - "vielleicht keine so gute Idee, während der Pandemie umzuziehen", kokettiert er, der sein Atelier und seinen Lebensmittelpunkt von Karlsruhe weg verlegt hat. Ein Grund für den Ortswechsel dürfte sein, dass van der Veen einen Lehrauftrag bekommen hat an der TU Berlin. Aber auch, dass der "Input" in der Hauptstadt größer ist.
Computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung
Geboren 1990 in Frankreich, der Vater Niederländer, aufgewachsen in Holland, Frankreich und ab dem zehnten Lebensjahr in Schorndorf, interessiert sich van der Veen für "Zwischenräume". In der Kunst, im Leben, in den Geisteswissenschaften. Nach dem Studium der Malerei und Grafik sowie der Philosophie promoviert er derzeit zum Thema "Augmented Reality. Trompe-l"?eil und Relief als Technik und Theorie". Ein sperriger Titel, der allerdings viel erklärt, was van der Veen bewegt. Augmented Reality steht für die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Trompe-l"?il - das Auge täuschen - ist eine illusionistische Malerei, die Dreidimensionalität vortäuscht mit Hilfe perspektivischer Darstellung.
Die ältesten Beispiele kennt man aus Pompeji, Jahrhunderte später war die Technik nicht nur bei italienischen Freskenmalern beliebt. Manuel van der Veen hat nun sein eigenes Verfahren und spricht von Reliefmalerei, wenn er den Übergang von Bild und Objekt untersucht, von 2D und 3D. "Tragbare Träger" heißt die aktuelle Ausstellung in der Nordheimer Scheune, die neben Flatbags Arbeiten aus den Werkserien Paintsacks und Airdrawings zeigt. In seinen Bildern und Objekten verfolgt er den Prozess des Pressens, der ihn als Übergang vom Plastischen zum Flachen reizt.
Wie in Super- oder Drogeriemärkten
Van der Veen selbst spricht nicht von Objekten, wenngleich dies ein Streit um des Kaisers Bart ist - um die Begrifflichkeit, wo Malerei übergeht ins Objekt. Da wäre dieser Bildträger, der an jene weiße Wände in Super- oder Drogeriemärkten erinnert: mit Eurolochung und unzählig vielen Haken, an denen Produkte baumeln. Manuel van der Veen hängt rote Ölfarben-Quadrate an die Haken, zugeschweißte Päckchen, die den Alltag zu poetisieren scheinen.
Hinter allem verbirgt sich die Frage, wie im alltäglichen Raum Kunst auf uns wirkt. Ob wir sie als solche wahrnehmen? Oder geht sie unter im Gegenüber und Dazwischen mit gewöhnlichen Gegenständen? In der Nordheimer Scheune wird dieses Phänomen praktisch durchkonjugiert. Der Ausstellungsraum, den Helmut A. Müller, ehedem Pfarrer und Leiter des Spitalhofs Stuttgart, vor einigen Jahren initiiert hat, ist auch Wohnraum der Familie.
Flächen, die zum Anfassen reizen
Die Bilder im Wohn- und Esszimmer - fein aufgeräumt für Besucher -, beschreibt van der Veen als "kühles Verfahren". Auf einer bis zu 20-fachen Grundierung auf Leinwand sind sie geschichtet und mit Farbmasse so bearbeitet, dass die planen Flächen samtig wirken und zum Anfassen reizen. Ob man einen Sumoringer erkennt, einen Vogel, einen Sprayer, tut nichts zur Sache.
Wirkmächtig behaupten sich die Tableaux neben den Weißblechkörpern. Oder einer Bilder-Serie im ersten Stock, die Sportschuhe verfremdet. Je in vier Schichten gehängt wie Kippbilder an einer Wand, bearbeitet mit Fotoshop und Acrylfarbe, schafft die Reihe in der Tat die Illusion eines klassischen Trompe-l"?il.
1990 in Viriat/Frankreich geboren, hat Manuel van der Veen an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe und Philosophie an der Universität Freiburg studiert. Van der Veen lebt in Berlin. 
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